Archiv für den Monat: Juni 2022
Nach dem Zerfall des Sowjetreichs war für Russland-Kenner klar: Nach seiner Wiedererstarkung wird Russland und die russische politische und militärische Elite diese Situation nicht auf sich beruhen lassen (und das Wiedererstarken wurde durch militärische und nukleare Aufrüstung gezielt angestrebt). Russland wird auf jede nur mögliche Weise versuchen, die entstandenen Verhältnisse zu revidieren. Der erste Ansatz dazu war 1991 die Gründung der „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) (die baltischen Staaten sind ferngeblieben, die Ukraine und Georgien sind ausgetreten, sogar Bulgarien wurde der Beitritt angeboten). Als die GUS sich nicht so wie erwartet entwickelte, nämlich mit russischer Dominanz, wurden, seit Putin die Macht übernommen hat, weitere ähnliche Versuche zur Anbindung der verloren gegangenen Territorien an das Moskauer Reich unternommen. Das war vor allem 1996 die Bildung einer „Russisch-Belarussischen Union“, mit der Weißrussland völlig unter den Einfluss Moskaus getreten ist. Weiters wurde 2002 der Militärpakt „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ mit Belarus, Armenien und den mittelasiatischen ehemaligen Sowjerepubliken abgeschlossen, um Russlands Einfluss in den betroffenen Staaten dominant zu halten oder die russische Dominanz wieder zu begründen. Ergänzend wurde 2015 eine „Eurasische Wirtschaftsunion“ gegründet, um in diesen Staaten auch die wirtschaftliche Dominanz Russlands zu sichern.
Für unbefangene politische Beobachter musste es daher klar sein, dass damit das Ende der russischen Expansionsbemühungen nicht erreicht war. Die Absicht ging offenbar auf die Wiederherstellung eines Reiches im Umfang der Sowjetunion. Und das bedeutete, dass in Europa die Ukraine und die baltischen Staaten am meisten gefährdet waren. Aber auch die anderen osteuropäischen Staaten, die seinerzeit zum Warschauer Pakt gehörten, vor allem Polen und Bulgarien, und Finnland, das einmal zum Russischen Reich gehörte, konnten da vor einer geplanten verstärkten russischen Einflussnahme nicht sicher sein.
Was war unter diesen Gegebenheit nicht logischer, als dass die von russischer Expansion bedrohten Staaten, wo dann Freiheit und Demokratie ausgelöscht würden, sich um eine Nato-Mitgliedschaft bemühten? Diese Bemühung hatte für die baltischen und osteuropäischen Staaten mit Ausnahme der Ukraine auch Erfolg, sie sind Nato-Mitglieder geworden und können sich auf den Schutz der Nato verlassen. Die Ukraine hat die Voraussetzungen für einen Nato-Beitritt trotz Antrags nicht erfüllt und wurde daher nicht aufgenommen. Dementsprechernd hatte sie keine Verbündete, als sie von russischen Truppen am 24. Feber dieses Jahres angegriffen wurde. Das Ergebnis dieses Angriffskrieges und das Ausmaß der russischen Gebietseroberungen steht derzeit noch nicht fest. Man kann aber davon ausgehen, dass der russische Appetit auf Erweiterung und Gebietseroberungen ungestillt ist, solange Putin an der Macht ist und Russland keine Angriffe gegen sein eigenes Territorium befürchten muss.
Zur Sicherung der Freiheit des Westens hilft da nur Eines (man scheint es jetzt begriffen zu haben): die Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf zur Begrenzung weiterer russischer Gebietseroberungen durch ausreichende Waffenlieferungen und die Verstärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit.
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