Warum ist unsere Neutralität jetzt ins Gerede gekommen? Leben wir nicht seit mehr als 60 Jahren gut mit unserer Neutralität?
Allerdings haben auch Finnland und Schweden sehr lange auf Neutralität gebaut, Schweden sogar mehr als 200 Jahre. Aber plötzlich glauben sie nicht mehr daran, dass neutral sein ausreicht, um nicht angegriffen zu werden. Sie haben um Beitritt zum Verteidigungspakt Nato angesucht, um im Fall eines Angriffs den militärischen Beistand der anderen Nato-Staaten, einschließlich der USA, zu erhalten. Das ist ihre Reaktion darauf, dass Putin jetzt mit seinem Angriff auf die bündnisfreie Ukraine gezeigt hat, dass ihn Bündnisfreiheit oder Neutralität anderer Staaten nicht von einem Angriff zurückhält. Und Putin steht da nicht alleine: der belorussische Diktator steht an seiner Seite. Auch für andere Diktatoren gelten internationale Verträge und die Grundsätze der UNO und der UNO-Charta wenig, von China bis Nord-Vietnam und den Mullahs im Iran, und dabei handelt es sich um Staaten, die schon über Atomwaffen verfügen oder demnächst verfügen werden. Putin hat da jetzt einen Präzedenzfall gesetzt. Und auch die UNO, die zur Sicherung des Weltfriedens gegründet wurde, hat gezeigt, dass sie bei Aggressionshandlungen von Atommächten praktisch machtlos ist.
Und wie steht es da mit unserer österreichischen Neutralität? Auch wir sollten uns die Frage stellen, ob wir sicher sein können, dass andere Staaten unsere Neutralität immer respektieren werden? Im Gegensatz zu dem, was oft von Uninformierten behauptet wird, hat nämlich kein anderer Staat unsere Neutralität und unsere territoriale Unverletzlichkeit ausdrücklich garantiert. Aber selbst wenn sie garantiert wäre, könnten wir dann sicher sein, dass Garantien, dass rechtliche Verpflichtungen eingehalten werden? Die Ukraine hat ja sehr wohl seinerzeit von Russland eine Garantie für die Unverletzlichkeit der ukrainisch-russischen Grenze erhalten, durch einen internationalen Vertrag. Was sind also Verträge und ist Recht wert, wenn das einem Diktator mit Atomwaffen nicht ins Konzept passt? Offensichtlich nicht sehr viel.
Gibt uns also unsere Neutralität Sicherheit und Schutz? Müssen wir dem Beispiel Schwedens und Finnlands folgen und der Nato beitreten? Nein, doch nicht! Denn wir haben Glück, denn wir sind ja nur von friedliebenden demokratischen Staaten umgeben. Und das ist ein Glück, das die Ukraine und auch Finnland leider nicht haben. Ja, wir sind da in einer glücklichen Lage. Aber dennoch sollten wir über die Neutralität diskutieren, um uns klar zu werden, was unsere Sicherheit wirklich garantiert.
Archiv für den Monat: Mai 2022
Die Weltwirtschaft leidet unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie, mit der Unterbrechung der Lieferketten, der Reduzierung von Transportkapazitäten, dem Ausfall von Produktionsstätten und Fachpersonal. Und Corona ist immer noch nicht endgültig erloschen und kann jederzeit wieder verstärkt wirksam werden. Und jetzt kommt zu all den Rückschlägen auch noch der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen dazu, die politisch und wirtschaftlich über Europa weit hinausreichen.
Und wir hier spüren alle den Preisanstieg und die Verknappung gewisser Waren und Engpässe am Dienstleistungssektor, dazu kommt Geldentwertung und Staatsverschuldung. Und durch den Ukraine-Krieg kommt es – nicht zuletzt aufgrund der Sanktionen – zu einem Ausfall russischer Exporte und der Exporte westlicher Staaten nach Russland. Betroffen ist in erster Linie die Energieversorung, betroffen sind aber auch die Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine in weite Teile der Dritten Welt. Die nationalen Wirtschaften der EU-Länder einschließlich Österreichs werden sich in Richtung auf mehr Unabhängigkeit und Eigenproduktion umstellen müssen, vor allem auf dem Energiesektor, was allein schon zu Verteuerungen führen wird. Dazu kommen verstärkte Rüstungsanstrengungen mit budgetären Auswirkungen, nämlich Steuererhöhungen, Ausweitung der Staatsverschuldung oder Kürzung von anderen Staatsausgaben. Entwicklungen, die erst am Anfang stehen, aber sich noch verstärken werden.
All das hat für private Haushalte weltweit und auch hier in Österreich seine Auswirkungen, nämlich Preisanstiege, Warenverknappung, Lieferprobleme und Blackouts. Auch bei uns in Österreich werden damit Wohlstandsverluste verbunden sein, die die Regierung nicht unbegrenzt mit Steuererleichterungen , Preisregelungen und Zuschüssen abfangen wird können.
Die Regierung ist nicht zu beneiden. Was immer sie macht, vor allem an Preisdämpfungsmaßnahmen und Zuschüssen – den einen wird es zu wenig sein und den anderen zu viel. Verständnis für die eingetretene Situation und die Zwangssituation der Regierung ist nicht sehr weitverbreitet, natürlich vor allem nicht bei jenen, denen es echt schon ans Lebensnotwendige geht, aber auch bei jenen, die genug haben, aber auf nichts verzichten wollen. Schwere Zeiten. Was für Reaktionen werden da noch kommen?